PROGRAMM
- Hyukjun Sohn
- 3. Juli 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Juli 2024
Bachelorkonzert
Hyukjun Sohn
PROGRAMM
I. Yun V. Das Vögelchen aus „Li-Na im Garten“
J. S. Bach Sonate für Violine solo Nr. 1 in g-Moll BWV 1001
Adagio - Fuga (Allegro) - Siciliana - Presto
E. Ysaÿe Sonate Nr. 4 „Fritz Kreisler“, Op. 27
Allemande - Sarabande - Finale
F. Kreisler Recitativo und Scherzo-Caprice, Op.6
E. Schulhoff Sonate pour violon seule, WV 83
Allegro con fuoco - Andante sostenuto - Scherzo (Allegretto grazioso) - Allegro risoluto
N. Paganini Caprice Nr. 5, Op. 1
G. Bacewicz Kaprys Polski
PROGRAMMHEFT
(FAKTEN UND PERSÖNLICHE MEINUNGEN ÜBER DIE STÜCKE)
I. Yun /
V. Das Vögelchen aus „Li-Na im Garten“
Isang Yun war ein deutscher Komponist mit koreanischen Wurzeln und schaffte es, den koreanischen Klang und die asiatische Philosophie (vor allem den Taoismus) auf europäischen Instrumenten zum Ausdruck zu bringen. Sein Werk "Li-Na im Garten" besteht aus fünf Stücken, von denen jedes ein Tier imitiert und charakterisiert. Diese Stücke wurden für seine Enkelin Li-Na komponiert, als sie elf Jahre alt war. Seit ihrer Kindheit liebte sie Tiere und spielte gerne im Garten. Sie war auch selbst eine talentierte Geigerin und wollte an Wettbewerben teilnehmen. Es wurde gefordert, ein Stück aus dem 20. Jahrhundert (damals zeitgenössisch) zu spielen. Allerdings, so Yun, gab es kein passendes Stück dafür.[1]
In diesem Werk verwendet er die Haupttontechnik, eine Kompositionstechnik, bei der ein (oder wenige) Hauptton (-töne) durch verschiedene Verzierungsbewegungen (wie z. B. Vibrato, Triller, Akzente, Glissandi usw.) verziert wird/werden. Hier zeigt sich der Einfluss des Taoismus in Yuns Musik, die eine komplementäre, Balance bildende Zweiheit (Yin und Yang) aufweist. Es gibt zwar viel Bewegung in der Stimme, jedoch bleibt der Hauptton bestehen, wodurch ein statisches Gefühl entsteht (Bewegung in Stille; KOR: 정중동). Zusätzlich nutzt Yun die traditionelle europäische Musikform A-B-A(-Coda) als eine Möglichkeit, die Lehren des Taoismus in seine Musik zu integrieren. Indem er die A- und B-Teile sehr unterschiedlich gestaltet, hat seine Musik ‚Yin und Yang‘ nicht nur auf der Mikroebene, sondern auch auf der Makroebene. In diesem Werk steht der A-Teil für Yang und der B-Teil für Yin.
Geigentechnisch verwendet er die eigentlich für traditionelle koreanische Saiteninstrumente entwickelte Spieltechnik, Nonghyun (KOR: 농현). Nonghyun bedeutet buchstäblich „herumspielen mit Saiten“ auf Koreanisch. Es gibt vier Arten dieser Technik: Yosung (KOR: 요성), Choosung (KOR: 추성), Toesung (KOR: 퇴성) und Junsung (KOR: 전성). Alle vier Arten kommen in diesem Werk vor.
J. S. Bach /
Sonate für Violine solo Nr. 1 in g-Moll BWV 1001
Johann Sebastian Bach war ein deutscher Komponist und Kirchenmusiker, besonders bekannt für seine Virtuosität an der Orgel. Was jedoch vielen nicht bekannt ist, ist, dass sein Erstinstrument eigentlich die Violine war. C.P.E. Bach, Bachs Sohn, berichtete sein Vater habe „als der größte Kenner und Beurtheiler der Harmonie am liebsten die Bratsche mit angepaßter Stärke und Schwäche“ gespielt. Er fuhr weiter: „Er verstand die Möglichkeiten aller Geigeninstrumente vollkommen. Dies zeigen seine Soli für die Violine und für das Violoncell ohne Bass...“[2]
Die erste Sonate des gesamten Werkes beginnt in g-Moll (obwohl es Kontroversen darüber gibt, dass die 1. Sonate in g-Dorisch ist), dem Ton der tiefsten Saite der Violine. (Die letzte Partita ist in E-Dur, der Ton der höchsten Saite.) Alle drei Sonaten bestehen aus vier Sätzen. Nach einem einleitenden Vorspiel folgt immer eine Fuge. Der dritte Satz ist ein langsamer Satz, der vierte ein schneller. Im Falle der ersten Sonate lautet die Abfolge: Adagio – Fuga (Allegro) – Siciliano – Presto.
Dieses Werk, sei es solo a violino senza basso accompagnato, hat eine monumentale Stellung im Violinrepertoire. Es gehört nicht nur zu den Werken, die man lebenslang lernt und spielt, sondern hat auch zahlreiche Komponist*innen in der Musikgeschichte beeinflusst.
E. Ysaÿe /
Sonate Nr. 4 ‚Fritz Kreisler‘, Op. 27
Wie schon erwähnt, hat J. S. Bach viele Komponist*innen der nächsten Generationen inspiriert. Ysaÿe ist bestimmt einer davon. Es ist kein Zufall, dass sein Op. 27 aus 6 Solosonaten besteht. Diese sind jeweils einem Geiger der nächsten Generation gewidmet. Anscheinend wollte der belgische Geiger und Komponist die Geschichte und Entwicklung der Violinmusik (im Sinne von sowohl Kompositionsstil als auch die Art und Weise des Geigenspiels) in seiner Komposition zeigen. Die vierte Sonate wurde Fritz Kreisler gewidmet. Kreisler war selbst auch Komponist, der gerne Elemente der Barockmusik in seine Werke integriert hat. Deshalb heißen die Sätze der vierten Sonate Ysaÿes wie folgt: Allemande – Sarabande – Finale, wie eine Partita aus der Barockzeit ohne Courante.
Bemerkenswert ist, dass die Allemande nicht in 4/4 geschrieben ist, sondern in 3/4. Im zweiten Satz gibt es ein verstecktes Motiv (g-fis-e-a), das sich während des ganzen Satzes wiederholt. Dieses Motiv erscheint auch im dritten Satz, einem perpetuum mobile-artigen Satz, mit der Erinnerung an den ersten Satz sowie einer Anspielung auf eine Komposition Kreislers, „Präludium und Allegro“.
F. Kreisler /
Recitativo und Scherzo-Caprice
Dieses Stück wurde E. Ysaÿe gewidmet, mit den folgenden Worten: „À Eugène Ysaÿe, le maître et l’ami.“ Die beiden Geiger waren sehr gute Freunde und hatten gegenseitigen Respekt füreinander. Dieses Stück ist das einzige bekannte Stück von Kreisler für Violine solo. Der erste Teil dieses Stückes, Recitativo, ist im Ysaÿe-Stil komponiert. Hörbar wird dies besonders durch viele Doppelgriffe und viel Chromatik. Der zweite Teil, Scherzo-Caprice, ist eher im Kreisler-Stil gehalten. Sowohl die Eleganz der Wiener Musiksprache als auch der Humor, der durch oft wechselnde Charaktere erzeugt wird, sind in diesem Teil zu finden. Verschiedene Spieltechniken kommen vor, unter anderem Flageolett-Doppelgriffe, Ricochet mit linkem Hand-Pizzicato und chromatische Tonleitern in Oktaven.
E. Schulhoff /
Sonate pour violon seule, WV 83
Schulhoffs Musik lässt sich nicht in ein Wort fassen. Neoklassik, Dada, Ragtime, Jazz, Volksmusik, Avantgarde, Spätromantik, sozialistischer Realismus – all diese Begriffe haben mit Schulhoffs Musik zu tun. Geboren in Prag in einer deutsch-jüdischen Familie, studierte er unter anderem in Wien und Köln und lebte unter anderem in Berlin und Dresden. Er war daher selbst sehr multikulturell und offen für neue Musikstile. Er war einer der ersten europäischen Komponisten, die Jazzelemente in ihre Kompositionen integrierten (z. B. Jazz-Oratorium, Hot-Sonate und viele mehr).
Die Solosonate für Violine besteht aus vier Sätzen:
Der erste Satz ist ein Perpetuum mobile. Er ist sehr spielerisch und unberechenbar komponiert, denn Schulhoff verwendet in diesem Satz sehr oft subito piano sowie subito Artikulationswechsel. Darüber hinaus verleihen Jazz-Rhythmen und linke Hand Pizzicato dem Satz neue Facetten und machen ihn frischer.
Der zweite Satz ist ein langsamer Satz, in dem Intervalle die Hauptrolle spielen, vor allem die kleine Sekunde. Das Pendeln zwischen E und Es, F und Fis ist überall zu finden (das Intervall entsteht durch pendelnde Einzeltöne). Schulhoff hört aber nicht hier auf, sondern fügt noch eine Ebene hinzu. Der Wechsel zwischen großer Terz und kleiner Terz (und damit kleiner Sexte und großer Sexte, sowohl sukzessiv als auch simultan) bildet die Spannung des Satzes.
Der dritte Satz ist ein ziemlich grotesker Wiener Walzer. Er ist voller (Geigen-)Humor und spöttischer Figuren (Tonreihen von fallenden Sekunden mit Staccato, ähnlich wie bei Paganini Caprice Nr. 13, und leere Saiten mit kurzen Aufstrichen zusammen mit linke Hand Pizzicato, die fast eine unernste Atmosphäre schaffen).
Der vierte Satz ist ein von osteuropäischer Volksmusik geprägter Tanz. Hauptsächlich werden der lydische Modus und das Zigeuner-Moll (ungarische Tonleiter) verwendet. Lebhaftes Staccato und klebendes Tenuto bilden einen guten Kontrast.
N. Paganini /
Caprice Nr. 5, Op. 1
Paganini war zu Lebzeiten ein Superstar und Geigervirtuose in ganz Europa. Er faszinierte die Zuhörer mit seinen außergewöhnlichen Spieltechniken und seiner Aura auf der Bühne.
„Paganini wird in seiner Kunst einen welthistorischen Namen haben. Wäre er mit derselben einige tausend Jahre früher, historischen Zeitalter, geboren worden, so würde man von ihm dasselbe, und gewiß mit mehr Recht, gesagt haben, was die Fabel von Orpheus sagt.“[3]
Sein Op. 1, die 24 Capricen, zählen bis heute zu den wichtigsten Werken im Geigenrepertoire und haben viele Komponist*innen nicht nur zu seiner Zeit, sondern auch in den nachfolgenden Generationen inspiriert. Besonders berühmte Namen darunter sind Liszt und Rachmaninoff.
Paganini stellt den Interpreten eine große Herausforderung, indem er sehr rapide Saitenwechsel mit drei Abstrichen mit Saltando und einem Aufstrich kombiniert (dieser Strich wird oft wegen seiner Schwierigkeit ignoriert).
G. Bacewicz /
Kaprys Polski
Geboren in Łódź, war Grażyna Bacewicz eine Geigerin und Komponistin. Sie studierte bei Nadia Boulanger und Carl Flesch in Paris. Ihre solistischen Erfolge führten dazu, dass von ihr komponierte Stücke aufgeführt wurden und darüber hinaus polnische Musik bekannter wurde.
Dieses Stück fängt mit einer langsamen Einleitung an. Es ist zwar eine einzelne Stimme, aber es klingt weder schüchtern noch einsam, sondern eher stolz und selbstbewusst. Danach folgt ein schneller Teil, mit einer einfachen, unschuldigen, feiernden Melodie im 2/4-Takt. Im Laufe des Teils geht die Einfachheit langsam verloren und reibende Harmonien werden eingeführt. Am Ende des Stücks bildet Bacewicz viel Spannung anhand einer aufsteigenden Halbtonskala im kleinen-Terz-Abstand, was schließlich in A-Dur aufgelöst wird. Allerdings ist diese Auflösung gar nicht vorhersehbar, weil in dieser Caprice sehr häufig moduliert wird und daher der Verlauf anders hätte sein können.
[1] Su-ja, Yi (KOR: 이수자); (1998) Mein Mann, Isang Yun (KOR: 내 남편, 윤이상), Changbi Publishers, Inc.
[2] Brief von Carl Philipp Emanuel Bach an Forkel (1774), in: Bach-Dokumente III, Dokumente zum Nachwirken
Johann Sebastian Bachs 1750-1800 (hrsg. von Hans Joachim Schulze), Kassel: Bärenreiter, 1984, Nr. 801, S. 285.
[3] Paganini in Stuttgart, in: Morgenblatt für gebildete Stände, 14.12.1829



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